„Die Stadt wird Zeitung“ schrieb die Niederländerin Diana Ozon lobend in ihrem Gedicht „Klick, klick, klack“ in den Achtzigern. Sofort hat man das klackernde Geräusch geschüttelter Spraydosen in den Ohren. Aber diese spaßigen Zeiten sind vorbei. Statt durch „Wandzeitungen“ kommuniziert man jetzt mit Social Media. (Twitter, WhatsApp, Blogs etc.) Aber die Sprayereien sind geblieben ohne, dass sie Botschaften, News oder Kunst wären. Unsere Städte verkommen dabei, der öffentliche Raum wird zum Schmierpapier. Den Witz, Esprit und Kunstspaß, den Harald Oskar Nägeli, Keith Haring, Jean-Michel Basquiat und viele andere weniger Bekannte damals als Wallpaintings unter die Leute brachten, ist einer sinnlosen Sudelei gewichen. Schlimmer noch, sie zerstören altes und neues Kulturgut.. So konstatierte der Regisseur David Lynch in einem Interview auf die Frage: “Ist Graffiti nicht auch Malerei und damit eine Form des künstlerischen Ausdrucks?“ „Nein, Graffiti hat die Welt der Industriearchitektur, der faszinierenden Fabrikgebäude ruiniert. Man kann nicht mehr in diese Zeit zurückgehen, wenn man einen Film drehen möchte.“ Er ist nicht der Einzige, der die allerorten hingerotzten Tags, häufig Zeichen der Verslumung, Verwahrlosung und des Vandalismus, anprangert. Klebt erst mal eines an der Wand vermehren sie sich wie Fliegen. „Denn an die Stelle künstlerisch phantasievoller Graffiti tritt das Taggen von Hauswänden, Zerkratzen von Fensterscheiben und die Zerstörung der Notwendigkeiten unser aller Urbanität wie Bushaltestellen und Verkehrs- und Straßenschilder. Solch rasch dahin gehunzten Chiffren haben den Charakter von „Ich-war-hier-Marken“. Es ist wie Bein heben an der Wand, schreibt eine anonyme Autorin. Dazu Sascha Schierz, Diplom-Sozialwissenschaftler an der Uni Wuppertal: „Es gibt Leute, die gehen einfach raus und wollen viel malen. Dann wiederum gibt es welche, die vor allem schöne Bilder machen wollen – oder es gibt Leute, die zerstören wollen”. Wo bist Du gesunder Menschenverstand? Ein trauriges Beispiel zeigt sich in Hamburgs St. Pauli. 1969 malten die Künstler Werner Nöfer und Dieter Glasmacher das erste Wallpainting Europas.
Was man heute am Grünspan-Gebäude auf der Großen Freiheit noch sehen kann, ist ein durch Tags, geistloses Geschmiere und analphabetische Reviermakierungen zerstörtes Zeugnis von Zeitgeschichte. Es geht nicht darum, ob Graffiti Sachbeschädigung im Sinne eines Strafbestandes ist, sondern, dass die sinnentleerte Sprüherei Architektur und Kunst in den Städten vernichtet. Nicht jeder, der eine Spraydose halten kann, ist ein Streetartist wie Bansky, um aktuell zu bleiben. Lilli Holm Der amerikanische Stil des Graffiti bemüht sich um Schönheit. Die Buchstaben sind meist farbig und besonders ausgearbeitet. Es sind zwar auch Tags, also Kürzel, finden jedoch wegen der Kunstfertigkeit mehr Akzeptanz als Tags, die nur auf Menge angelegt sind. Es sind in beiden Feldern keine Einzelpersonen, sondern Gruppen, die an der Verbreitung dieser Tags arbeiten. Diese Gruppen befehden sich teilweise und die Malereien dienen ausschließlich der Kommunikation innerhalb der Graffiti-Szene. Besonders das massenhafte Beschmieren von Wänden bekommt pathologische Züge.